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Und wo lasst du dich gerade so rumtreiben?

DIE ODYSSEE DER KLEINEN WELLE

Es war einmal eine kleine Welle, die schwappte lustig im weiten Ozean umher und war mit sich und dem hellblau-grün-türkis-tiefblaufarbenen Meer zufrieden. Sie liebte es, mit den Delfinen um die Wette zu schwimmen, Wale an der Schwanzflosse zu kitzeln und Seegurken zu erschrecken. Ihr Lieblingsspiel aber hieß: "Königin der Meere". Da setzte sich die kleine Welle Kronen aus Meeresschaum auf und winkte die Untertanen huldvoll zu sich. Bis jetzt waren zwar nur ein paar Seepferdchen gekommen, aber das konnte sich ja ändern. Und das tat es auch. Denn eines Tages schwamm Egon der Hammerhai vorbei.

Hammerhaie schauen nicht nur komisch aus, sie sind es auch. Vor allem sind sie immer zu Scherzen aufgelegt, auf Kosten anderer natürlich. Die kleine Welle kam Egon gerade Recht. "Wer seid Ihr denn, Euer Gnaden?", schmeichelte Egon. "Ich bin die Königin der Meere!", rief die kleine Welle entzückt, einen Spielgefährten gewonnen zu haben. "Und was treibst du so den ganzen Tag?", wollte der Hammerhai wissen. "Ähh, mal hierhin, mal dorthin ....", sagte die kleine Welle würdevoll. "Was, du lässt dich nur so rumtreiben?", rief Egon in scheinbarer Verwunderung aus: "Weißt du denn nicht, dass du für etwas Höheres bestimmt bist?"

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"Na, alle Wellen, die was auf sich halten, gehen an Land!"

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"Na, hier bist du doch nur eine von vielen. An Land aber bist du einzigartig! Etwas wirklich Besonderes!" Und er lachte sich in die Kiemen, der böse Fisch. Würde die kleine Welle wirklich so dumm sein und an Land gehen? JA! Sie war es!!! Weil: etwas Besonderes zu sein, einzigartig zu sein, das war schon sehr verlockend. Vielleicht war sie dann ja auch wirklich eine Königin, und nicht nur eine ausgedachte. Und dieses Herumdümpeln mit Walen und Delfinen war eigentlich eh schon fad ...

"Kommst du mit?", fragte die kleine Welle den Fisch. "Aber künftige Königin des Landes!", wies der Fisch entrüstet zurück, "wie könnte ein so geringes Wesen wie ich dort leben? Ich", schloss das listige Großmaul, "werde hier auf dich warten!" Dann schubsste er die Welle in Richtung Strand. Ich darf Euch verraten, ganz geheuer war der kleinen Welle die ganze Sache nicht. Aber sie genierte sich vor dem Hammerhai, ihre Angst zuzugeben. Also holte sie ganz tief Luft, wirbelte sich zu einem kleinen Ball zusammen und sprang mit aller Kraft hinaus, hinaus ins unbekannte Leben. Und PLATSCH landetet sie mitten am Strand.

Da waren Wesen, die sie bisher nur von der Ferne im Wasser gesehen hatte. Weiße, braune und rote, mit einem komisch geteilten Schwanz, auf dem sie herumbalanzierten. Flossen hatten sie keine, dafür bunte Schuppen, die sie wechseln konnten. In der Ferne war ein großes Korallenriff mit Löchern, und aus dem sahen wieder diese Wesen heraus. Und die Seetangbäume erst. Riesenhoch! So fasziniert war die kleine Welle von dem Geschehen rund um sie, dass sie gar nicht bemerkte, dass es ihr immer wärmer und wärmer und immer wärmer und wärmer wurde. "Komm zurück!", riefen die anderen Wellen, "Komm zurück, sonst bist du verloren!"

Zu spät. Die Sonne hatte die kleine Welle aufgelöst.

War das das Ende der kleinen Welle? Ja. Und nein.

Unsichtbar und zart wurde sie emporgehoben ins wunderbare Himmelblau. Oben stubbste sie mit ihren einhundert (vollzähligen!) Wassertropfen an eine weiße Wolke an. "Grüß Gott und willkommen an Bord", sagte die Wolke, "wo soll´s denn hingehen?" "Ähh, wie bitte?", stotterte die kleine Welle, vom Flug noch sehr mitgenommen. "Ich will in die Sahara", rief´s da von links, "hab´s einer Palme dort versprochen!" "Ich hab gedacht, wir fahren nach Schottland?!", tönte es von rechts. "Ich will wieder als romantischer Landregen niedergehen..." "Hör mir auf mit Romantik!", grollte es dazwischen. "Mich haben die Menschen letztes Mal mit ihren Chemikalien total versaut. Ha, denen werd´ich´s zeigen, wenn ich als Hagelsturm ihre Felder verwüste!" "Moment, Moment...", rief wieder jemand anderer, "ein Mordstrummgewitter mit vielen Blitzen, so war´s ausgemacht!"

Na Bumm, von Einigung keine Spur.

Da gebot die Wolke Ruhe. "Tut mir Leid", sagte sie, "aber wenn ihr hier keine Einheit bildet, dann kann ich nicht weiterziehen." Und sie stand still am Himmel. "Dann steigen wir halt um", murrten die Wassertropfen und sprangen davon. Bald blieb nur mehr die kleine Welle an Bord, eigentlich: ihre hundert Wassertropfen. Und ein paar andere noch dazu, aber das fiel nicht weiter auf. "Wo darf ich dich absetzen?", fragte die Wolke. Der Welle schwirrte der Kopf. "Das habe ich mir nicht so genau überlegt...", sagte sie. "In diesem Fall", antwortete die Wolke, "fliege ich einfach tiefer, und du siehst genau hin. Und wenn dir etwas gefällt, sagst du einfach Halt!"

So geschah es.

Am nächsten Tag beobachtete die kleine Welle ganz genau, was so alles auf der Erde passierte. Und waren es die paar Wassertropfen mehr oder nur der Blickwinkel von oben, die kleine Welle begann zu verstehen, ws so auf Erden da vor sich ging. Sie sah Tautropfen, die auf den Blumen früh am Morgen leuchteten. Das wäre schön, dachte sich die kleine Welle, in so vielen Farben zu schimmern. Dann sah sie einen Fluss, in dem große Fische schwammen. Fast wie zu Hause, dachte sie und wollte schon "Halt!" rufen. Doch da sah sie ein Pferd, das mit letzter Kraft zum Wasser wankte, gierig trank und so wieder zu Kräften kam. Das wäre aber auch schön, dachte sich die kleine Welle, etwas für andere zu tun. Sie konnte sich einfach nicht entscheiden. "Wenn du nihct weißt was du willst, wenn du die Augen offen hast", sagte die Wolke am Abend, "dann musst du sie eben schließen. Morgen geh ich noch tiefer runter und du hör aufmerksam hin. Und wenn dir etwas gefällt, sagt du einfach Halt!"

So geschah es.

Am nächsten Tag hörte die kleine Welle ganz genau hin. Was es da alles für Geräusche gab! ein Glucksen, ein Rauschen, ein Tosen, ein Plätschern, ein Klirren, ein Knacksen. Unglaublich" Dann hörte sie ein Planschen und ein Kreischen und da wusste sie, dass Kinder im Wasser spielen. Doch so wie es klang, war da bereits so viel Wasser, dass alles überging. "Kein Platz für mich", dachte sich die kleine Welle traurig. "Schade, es wäre so schön gewesen, an samtiger Kinderhaut runter zu rollen..." Dann hörte sie lange Zeit gar nichts. Plötzlich ein Brausen, ein Toben, ein Heulen. Und ein Gurgeln, das ihr im Herzen weh tat. Dann war es sehr still. " Fahr weiter", sagte die Welle, froh, nichts gesehen zu haben. Am Abend war sie ganz erschöpft.

"Wer nichts im Außen hört, muss in sich hineinhören", sagte die Wolke geduldig. "Das machst du morgen. Und wenn es dir wo gefällt, sagst du einfach Halt!" Das war jetzt die schwierigste Aufgabe. Die Augen geschlossen zu halten zund nicht nach außen, sondern nach innen zu horchen. Ein paar Tage passierte gar nichts. Dann aber, eines Morgens, spürte die kleine Welle eine zarte Regung. "Wolke, mir wird so anders", sagte sie, "wo fliegst du hin?" "Ich habe mich nicht von der Stelle gerührt!",erwiderte die Wolke. "Aber mir wird so warm ums Herz!", sagte die Welle. "Wo bin ich?" "Am richtigen Weg, mach nur weiter!", sagte die Wolke.

Mächtig strengte sich da die kleine Welle an, mächtig. Und dann. Dann. War Ahnung und Freude und Schmerz und Wissen zugleich. Und ohne es zu wollen und ohne es zu wissen ließ sich die kleine Welle fallen. Und in dem Moment, der unendlich währte, fiel ihr ein, wie oft sie schon dagewesen war. Und wie oft sie es schon vergessen hatte. Ein trübes Wasser umfing sie und doch war es das reinste Seelenheil. Und sie gelangte von einer Hand zur anderen und benetzte Stirn und Haar, brachte Segen, Heilung, Nahrung. Und die kleine Welle spürte, dass diese Menschen das Wasser liebten und mehr noch: Sie liebten das Etwas im Wasser, das auch die kleine Welle liebte. Das auch die kleine Welle war.

"Wo....", war das letzte, was sie sprach. Ich weiß nicht, ob sie "Wolke" sagen wollte oder nur "Wo bin ich?". Wisst Ihr es?

 

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